Die Krise der Streaming-Anbieter, Queersein in Afrika, Sklaverei und die britische Industrialisierung
Diese Woche in der (katastrophal verspäteten) Grübelkiste: Ein Artikel über die These, dass ‘Peak TV’ seine Talfahrt begonnen hat; ein Videobericht über den langen Schatten des Kolonialismus und anti-queere Gesetze in Afrika; und ein Podcast über zwei Ökonomen, die in einer Studie untersucht haben, inwiefern die britische Industrialisierung vom System der Sklaverei profitiert hat.
Peak TV Is Over. Welcome to Trough TV. | SLATE
Um was geht es?
Als vor einigen Jahren das Zeitalter der Streaming-Anbieter eingeläutet wurde, waren die Erwartungen groß: Während das Gefühl augenblicklicher Verfügbarkeit berauschend war, erhoffte man sich die Emanzipation von den Spielregeln traditioneller TV-Sender, die eine ungeahnte Kreativität lostreten sollte, einen Fokus auf Qualitätsformate und querfinanzierte Nischen für Liebhaber. Mittlerweile sieht das Bild weniger rosig aus. Während der Markt immer unübersichtlicher wird, regieren Kostenkalküle und algorithmische Optimierung immer stärker das Programmgeschehen. Sam Adams stellt sich für SLATE die Frage: Befindet sich die goldene Ära des Streamings im Niedergang?
Was hängen blieb:
Besonders eindrucksvoll war für mich die gesammelte Auflistung einzelner Shows, die in den letzten Jahren eingestellt, trotz fortgeschrittenem Entwicklungsstand gar nicht erst veröffentlicht, oder sogar gänzlich ins digitale Nirvana verbannt wurden. Die Spielregeln des klassischen Fernsehens wurden nicht verworfen, sondern sind nun mehr am Werk denn je: Erfolg wird immer weniger an Qualität oder der Existenz einer interessierten Zuschauerschaft gemessen, sondern an Schaulängen, Abo-Zuwächsen und der individuellen Marktpositionierung.
Queere Menschen in Afrika – Gefahr durch neue Gesetze | Weltspiegel
Um was geht es?
Von den 69 Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisiert sind, befinden sich 33 in Afrika. Die Gründe dafür sind unter anderem in Gesetzen zu finden, bis in die britische Kolonialzeit zurückreichen, wie beispielsweise im Fall von Kenia, Tansania oder Uganda. Letzteres Land fiel vor kurzem dadurch auf, dass es ein Gesetz verabschiedete, das Homosexualität und „Mitwisserschaft“ von queeren Menschen unter drakonische Strafen stellt. Weltspiegel hat mit Betroffenen im Land gesprochen und die Rolle von populistischer Politik und religiösem Fanatismus herausgearbeitet.
Was hängen blieb:
Während nachweislich rechte religiöse Gruppen seit Jahren in die Verbreitung ihres Fundamentalismus innerhalb Afrikas investieren, lässt sich, wenn man das Video gesehen hat, nicht abstreiten, dass man es hier mit einem Paradebeispiel für den langen Schatten des Kolonialismus zu tun hat. Besonders tückisch ist dabei ein Populismus, der berechtigte Kritik am Schaden, den die Kolonialstaaten anrichteten, sowie an neokolonialen Ansätzen, als Ausrede dafür verwendet, die vermeintlich importierten Lebensvorstellungen des Westens abzulehnen. Verletzter Nationalstolz wird hier zusammen mit religiöser Früherziehung zu einem gefährlichen ideologischen Cocktail, der Minderheiten abseits geschlechtlicher Normen in große Gefahr bringt.
Slavery and the industrial revolution | VoxEU Talk/CEPR
Um was geht es?
Der atlantische Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und den Amerikas war über Jahrhunderte ein zentrales Modell im organisierten Sklavenhandel. Während die ausgebeuteten Einwohner des afrikanischen Kontinents und die entstandene afrikanische Diaspora bis heute Leidtragende der rassistischen Ideologie sind, die den Menschenhandel erst möglich machte, ist in der Forschungsliteratur umstritten, inwiefern der nationale Wohlstand der ausbeutenden Länder tatsächlich durch die Sklaverei anstieg. Eine Studie von Stephan Heblich und Hans-Joachim Voth liefert nun eine komplexe Datenanalyse für den Fall Großbritannien und kommt zu dem Ergebnis, dass die heimische Industrialisierung eindeutig vom Sklavenhandel und seinen Auswirkungen profitierte. Im Interview mit VoxEU Talk erzählen die Autoren über ihre Forschung.
Was hängen blieb:
Während man eine tatsächliche, flächendeckende Bereicherung Europas und der USA intuitiv annehmen würde, ist es interessant, sich die spezifische Erklärung der Autoren für ihre Ergebnisse anzuhören. So war Großbritannien als Land, dessen Kapital tief im Sklavenhandel involviert war, das aber selbst keine nennenswerte heimische Sklavenhaltung betrieb (sondern diese sowie ihre ‘negativen Externalitäten’ beispielsweise in die Karibik ‚auslagerte‘) prädestiniert dazu, soziale und ökonomische Entwicklung in der Heimat voranzutreiben. Ein gegenteiliges Bild ergäbe sich den Autoren zufolge in der Forschungsliteratur im Falle der USA; die negativen Effekte auf die institutionelle Entwicklung, und die Probleme der Sklavenarbeit für die nachhaltige industrielle Entwicklung des heimischen Arbeitsmarktes führten hier zu einem gesamtökonomisch weniger eindeutigen Bild, was den durch Sklavenarbeit erworbenen Wohlstand für das Land betrifft.